Die Hürden der Regulatorik

Florian Sommer und Helge Wulsdorf

Nachhaltige Geldanlagen sind weiter auf Erfolgskurs, wie die Zahlen des Marktberichts in beeindruckender Weise belegen. Wesentlicher Treiber dieser Dynamik sind vor allem die europäische Regulatorik, die Schritt für Schritt umzusetzen ist, als auch die weiterhin hohe Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Mitte der Gesellschaft.

Ein Blick auf die Regulatorik-Landkarte zeigt, welchen Rattenschwanz das EU-Legislativpaket „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ nach sich zieht. Im Anwendungsbereich reicht er von der EU-Taxonomie und Offenlegungsverordung (OffVO) über die CSRD-Berichterstattung und den EZB-Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken bis hin zu zahlreichen Standards und Transparenzpflichten.

War das Jahr 2021 zunächst davon geprägt, die OffVO umzusetzen, ist es nunmehr die geänderte Delegierten Verordnung zu MiFID II, die die Finanzwelt in Atem hält. Entsprechend der seit über einem Jahr geltenden OffVO haben 92 Prozent der Berichtsteilnehmenden ihre Publikumsfonds gemäß OffVO als Artikel-8-Produkte ausgewiesen und 8 Prozent als Artikel-9-Produkte.

Grafik 1.1: Aufteilung nachhaltiger Publikumsfonds nach Artikel 8 und Artikel 9 der Offenlegungsverordnung in Deutschland und Österreich 2021 (in % nach Fondsvolumen)

MiFID II folgt einer anderen Klassifizierungslogik für Nachhaltigkeit als die OffVO. Sie fokussiert sich auf die Angebotsseite. Das heißt, sie verpflichtet Anlageberater:innen dazu, die Kund:innen nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen und ihnen entsprechende Nachhaltigkeitsprodukte anzubieten. OffVO und MiFID II nehmen unterschiedliche Kategorisierungen für nachhaltige Finanzprodukte vor, was dazu führt, dass es mit einer einfachen Zuordnung und Deklarierung von Produkten nach Art. 8 oder 9 OffVO nicht mehr getan ist. Was als nachhaltig bei einer positiven Nachhaltigkeitspräferenzabfrage angeboten werden darf, bestimmt nunmehr Art. 2 Nr. 7 der delegierten Verordnung zu MiFID II. Demnach geht es um folgende drei Produktkategorien:

a) ein Finanzinstrument, bei dem der Kunde oder potenzielle Kunde bestimmt, dass ein Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates angelegt werden soll;

b) ein Finanzinstrument, bei dem der Kunde oder potenzielle Kunde bestimmt, dass ein Mindestanteil in nachhaltige Investitionen im Sinne von Artikel 2 Nummer 17 der Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates angelegt werden soll;

c) ein Finanzinstrument, bei dem die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden, wobei die qualitativen oder quantitativen Elemente, mit denen diese Berücksichtigung nachgewiesen werden, vom Kunden oder potenziellen Kunden bestimmt werden (Vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253 der Kommission vom 21. April 2021.)

Schon jetzt zeichnet sich ab, so ein weiteres FNG-Umfrageergebnis, dass die PAIs, also Produktkategorie c., bei 97 Prozent der nachhaltigen Publikumsfonds angewandt werden, teilweise sogar in Kombination mit den Anforderungen der OffVO oder denen der EU-Taxonomie.

Grafik 1.2: Merkmale nachhaltiger Fonds nach MiFID II in Deutschland und Österreich 2021 (in % nach Volumen nachhaltiger Assets)

Grafik 1.3: Umsetzung von MiFID II in Deutschland und Österreich (Berichtsteilnehmende in %, n=71)

Auch kurz vor Einführung der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage ist die Unsicherheit bei vielen Finanzmarktteilnehmenden weiterhin groß. Was, wie genau in welcher Detailtiefe abgefragt und dokumentiert werden muss, hinterlässt immer noch offene Fragen. Weitere Konkretisierungen sind vor allem mit Blick auf die PAIs notwendig. Das Klassifizierungskonzept deutscher Finanzverbände (das so genannte Zielmarktkonzept) hat es sich zur Aufgabe gemacht, zusätzliche Mindeststandards für nachhaltige Produkte festzulegen. Die Herausforderung für die Finanzwirtschaft besteht vor allem darin, ihre Produkte und Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie über die geforderten Mindestmerkmale hinaus die Mindestanteile nachhaltiger oder taxonomiekonformer Investments offenlegen und/oder die PAIs verbindlich in ihre Anlagestrategie und Investmentprozesse einbinden. Ob und inwieweit Kund:innenwünsche und Produkt in Einklang zu bringen sind, wird die Praxis zeigen. Es ist davon auszugehen, dass vorerst einmal Produkte etwa mit hohen zweistelligen Taxonomiequoten auf dem Markt nicht zu bekommen sein werden. Vollständige Daten zur Taxonomie sind noch immer nicht verfügbar im Markt und damit fehlt dem Instrument die erprobte Marktreife.

Grafik 1.4: Umsetzungsstand von MiFID I in Deutschland und Österreich (Berichtsteilnehmende in %, n=80)

Zum Befragungszeitpunkt Februar 2022 hatten die meisten der Berichtsteilnehmenden, die MiFID II bereits umgesetzt haben, dies intern vorgenommen. Andere haben bei der Umsetzung Hilfestellungen des eigenen Bankenverbands oder den FNG Leitfaden zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen (MiFID II) als Grundlage herangezogen.

Es ist davon auszugehen, dass in nächster Zeit weitere Hilfestellungen zur Umsetzung von MiFID II von verschiedenen Dienstleistern angeboten werden. Entscheidend ist, dass die Hilfestellungen und Leitfäden zur Umsetzung von MiFID II sowohl regulatorikkonform sind, als auch verständlich und handhabbar im Kundengespräch zur Anwendung kommen können. Das Thema MiFID II wird uns sicherlich auch über das Umsetzungsdatum Anfang August dieses Jahres hinaus beschäftigen. Ob und inwieweit die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage für einen weiteren Wachstumsschub Nachhaltiger Gelanlagen bei Privatanleger:innen sorgen wird, welcher finanzielle und zeitliche Aufwand mit der Umsetzung verbunden ist und welche Probleme sich für das Angebot entsprechender Nachhaltiger Geldanlagen ergeben, wird im nächsten FNG Marktbericht sicher zu thematisieren sein.